Claudia Gygax-Vescovi
Im August 1982 trat die damals 19-jährige Claudia Vescovi zum ersten Mal als Dirigentin vor den Attiswiler Gemischten Chor. Sie ist dem jetzigen chœur par cœur bis heute treu geblieben, hat Mittwoch für Mittwoch die Proben geleitet, zahllose Konzerte, Aufführungen, Projekte und Gesangsfeste begleitet und mitgestaltet. Auch nach 40 Jahren Chorleitung erfreut sie sich noch immer an ihrem Instrument, dem Chor.
Die Geschichte unserer Chorleiterin Claudia Gygax-Vescovi
Im 1982 war der Gemischte Chor Attiswil auf der Suche nach einer neuen Chorleitung. Eigentlich hatte der Vereinsvorstand die Idee mit dem Niederwiler Chor zusammenzuspannen, der seinerzeit unter der Leitung von Herbert Vescovi war. Als das Telefon bei Vescovis in Luterbach schellte, um für eine mögliche Zusammenarbeit anzufragen, antwortete die Mutter Vescovi: «Ah, dir suechet e Dirigäntin? I wüsst eini.» Kurz zuvor hatte nämlich Tochter Claudia den einwöchigen Dirigentenkurs des Solothurner Chorverbands absolviert. So kam es, dass kurz darauf die blutjunge Claudia den Attiswiler Gemischten Chor übernahm.
Music was my first love
Zu ihrem musikalischen Werdegang erzählt Claudia: «Ich hatte von Haus aus immer viel mit Musik zu tun und habe wohl schon als kleines Mädchen immer gerne gesungen. Meine Mutter erzählte immer, man hätte es gehört, wenn ich nach Hause kam, weil ich immer vor mich hinsang. Musik war meine erste Liebe, ‘’Music was my first love’’, ein Herzenslied von mir und gleichzeitig ein Stück, das genau zu mir passt. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich verschiedene solistische Gesangseinsätze, sang immer wieder bei den Chören meines Vaters mit, wir hatten ein Familienchörli die ‘’Vescantari’’ und auch beim Kanti-Musical hatte ich einen Solopart. Später ging ich dann ins Lehrerseminar, wo Gesangsunterricht und Grundkenntnisse im Dirigieren sowieso auf dem Lehrplan standen.» Den Dirigentenkurs absolvierte die Semer-Schülerin mit dem Ziel, als Chorleiterin ein Sackgeld für die Mitfinanzierung ihrer Ausbildung zu verdienen.
Einsingen war noch keine Selbstverständlichkeit
In den Anfangsjahren mit dem Gemischten Chor Attiswil konnte die neue Dirigentin erste Erfahrungen sammeln und der Chor und die Dirigentin mussten sich gegenseitig kennenlernen. «Es gab schon Lieder, die ich einstudieren wollte, die dann aber beim Chor auf passiven Widerstand stiessen. Diese Stücke musste ich dann halt wieder abbrechen.» Insgesamt seien aber die Chörler immer positiv auf ihre Anregungen und auch Neuerungen eingegangen. Gerade das Einsingen und die Stimmbildung, wichtige Elemente für den Chorklang die Claudia von Anfang an eingeführt hat, wurden vom Chor mitgetragen. Das sei keine Selbstverständlichkeit gewesen dazumal und noch lange Zeit von vielen anderen Sängern etwas belächelt worden. Claudia Gygax-Vescovi hat nebst dem Attiswiler Chor auch andere Chöre geleitet, jedoch immer nur für kurze Zeit. «Für mich ist es wichtig mit meinem Chor auf ein Ziel hinarbeiten zu können», sinniert Claudia zum Erfolgsrezept mit dem Chor in Attiswil. «Einfach nur ein bisschen zusammen singen hat mir auf die Dauer nie ausgereicht und in Attiswil hat der Chor meine Ambitionen immer geteilt.»
Wegen der Liebe in Attiswil geblieben
Natürlich ist Claudia nicht nur des Chores wegen in Attiswil geblieben, sondern auch dank der Liebe zu einem bestimmten Sänger. Seit 1984 sind Ruedi Gygax und Claudia ein Paar und die junge Luterbacherin ist bei Ruedi und dessen drei Kindern an der Solothurnstrasse 9 eingezogen. Seit 1987 sind die beiden verheiratet und haben drei gemeinsame Kinder. «Die Kinder haben die Musikalität alle mit auf den Weg bekommen und sind selber ebenfalls bis heute in irgendeiner Form, sei es mit Gesang oder beim Musizieren mit Instrumenten, aktiv. Bei den älteren Kindern ist mehr von Ruedis zweiter Leidenschaft, der Pferde-Liebhaberei, hängengeblieben», erzählt Claudia, «eine schöne Gesangsstimme haben aber alle mit auf den Weg bekommen».
Nebst dem musikalischen Teil ist Claudia auch sehr aktiv im übrigen Vereinsleben. «Das hängt damit zusammen, dass ich im Dorf integriert bin und hier wohne. Deshalb möchte ich auch ein Mitglied des Chors sein und nicht ‘’nur’’ Dirigentin», erklärt sie ihr Engagement.
Engagement für den Verein
Claudia hat sich immer bei der Organisation und Umsetzung von Vereinsanlässen eingebracht, hat die verschiedensten Ämtli bekleidet und hat massgeblich zu Meilensteinen der Vereinsgeschichte beigetragen. Sängerisch waren das anfänglich Regionale und Kantonale Sängertage und in den ersten Jahren die Umrahmung der Theaterabende, die ein wichtiger Bestandteil der Chorgeschichte waren. Mit fortschreitenden Jahren nahm der Gesangsteil einen immer wichtigeren Teil des Unterhaltungsprogramms ein und das Theater rückte etwas in den Hintergrund.
Ein sehr wichtiger Schritt in der Chorgeschichte, der im Wesentlichen durch die Dirigentin Claudia und den damaligen Präsidenten Christian Gygax, initiiert und umgesetzt wurde, war das Galakonzert 1996, wo erstmals mit einem Projektchor gearbeitet wurde. Der Chor wurde durch Gastsänger:innen verstärkt, die sich aber nicht als Vereinsmitglieder verpflichten mussten. Die Idee dazu war nach einem Workshop des Berner Kantonalgesangsverbands entstanden, wo Fragen wie Mitgliederwerbung, aktives Vereinsleben, Verjüngung der Chöre thematisiert wurden.
Erfolgskonzept Projektchöre
Nach diesem ersten Galakonzert durfte der Chor 17 neue Mitglieder aufnehmen und das Konzept hat sich bis heute bewährt. Alle paar Jahre wurde seither ein solches Chorprojekt realisiert, später natürlich mit viel Unterstützung des restlichen Vorstands und unter Einsatz von Organisationskomitees. Claudia fasst zusammen: «Wenn viele engagierte Leute zusammen mit Leidenschaft an einem Projekt arbeiten, dann erzielt man damit die schönsten Erfolgserlebnisse. Das ist es, was Erfolg ausmacht».
Die Leidenschaft und die Freude am Gesang, verbunden mit der Bereitschaft die Lieder auswendig zu lernen, sind die Anforderungen an die Chorsänger:innen, die unter Claudia singen möchten. «Wir sind kein Elitechor und ich bin der Meinung, dass alle mitsingen dürfen, die Lust dazu haben», konkretisiert Claudia. «Mein Mann sagt immer, es heisst ja Gemischter Chor, weil die einen singen können und die anderen nicht», ergänzt sie scherzhaft und relativiert sofort «Nein, es soll einfach Platz für alle haben in einem Laienverein.»
Der Chor als Instrument
«Seit dem Jahr 2000 singen wir die Lieder an Konzerten und Auftritten immer auswendig. Das gibt mir die Sicherheit, dass die Sänger:innen genügend geübt haben und dass alles sitzt, denn wer ein Lied auswendig kann, hat auch die Proben gut besucht. Andererseits habe ich viel mehr Kontakt zu den Sänger:innen, als wenn sie in Notenblätter starren würden. So kann ich gestalten und spielen mit dem Chor.»
Vor etwa 10 Jahren habe Claudia festgestellt: «Mein Instrument ist der Chor. Ich kann mit meinen Bewegungen, meiner Mimik und meinen Emotionen spielen und damit Reaktionen im Chor und im Klang hervorrufen. Reaktionen und auch Emotionen, die zu mir zurückkommen und mich ‘’tschudere’’. Das ist ein tolles Gefühl und das schaffe ich nur mit dem Chor.»
Sind 40 Jahre wirklich genug?
Auf die Frage nach der Zukunft mit dem heutigen chœur par cœur wägt Claudia ein wenig ab. Eigentlich habe sie mal gesagt 40 Jahre seien genug. «Mit zunehmendem Alter wird es sicher nicht einfacher immer alles auswendig zu lernen und das letzte Jahr mit abgebrochenen Projekten und Probeausfällen durch Corona war auch ein Motivationshemmer.» Auch habe sie nicht mehr die gleiche Energie wie früher, um nebst dem beruflichen Engagement als Lehrerin in Balsthal noch viel Aufwand für den Chor zu betrieben. Trotzdem ist der chœur par cœur schon wieder voller Tatendrang dabei ein neues Projekt für 2023 einzustudieren und Claudia steht mit viel Eifer davor. «Wenn das Konzert gut kommt und wir auch danach wieder auf neue Ziele hinarbeiten können und wenn auch ich selbst noch genug Energie aufbringen kann, um im gleichen Stil weiterzumachen, dann kann ich wohl noch ein paar Jährchen anhängen».